LVZ-Beitrag zur Schillerakademie

Vom Scheitern der Neutralität – Jakob Augstein im Schiller-Gymnasium.

Nein, als Mutmacher sei er nicht zu gebrauchen, hatte „Der Freitag“-Verleger, Autor und Kolumnist Jakob Augstein im Vorgespräch mit Jens-Uwe Jopp wissen lassen. Der wiederum ist Deutsch- und Geschichtslehrer am Leipziger Schiller-Gymnasium und spiritus rector der „Schillerakademie“,
ein Diskussionsformat, bei dem bereits unter anderem Robert Habeck, Christian Lindner oder
Friedrich Schorlemmer zu Gast waren. Politische Bildung, ein hübsches Abstraktum in Sonntagsreden, hier findet sie statt.

Vorbei an einfachen Antworten müht sich Augstein am Mittwochabend in der gut besuchten Aula
im Gespräch mit Jopp und klug nachfragenden Schülern um analytische Neutralität und Coolness,
was immer wieder scheitert. Oberthema ist Russlands Angriff auf die Ukraine und unser Umgang damit. Die Heroisierung der Ukraine sieht Augstein kritisch. Er habe sich nicht träumen lassen, dass es so leicht gelingen würde, die Bevölkerung für die Beteiligung an diesem Krieg zu gewinnen. Er könne die Argumente für Waffenlieferungen nachvollziehen, diese Position sei durchaus plausibel. Die zweite mögliche Sicht – „mehr Waffen bedeuten mehr Tote“ – sei das aber auch. „Die Toten kommen nicht zurück, Fragen der Territorien hingegen bleiben offen.“

Augstein hadert mit dem eigenen Berufsstand: Viele Journalisten sähen sich als Aktivisten, dächten, sie trügen Verantwortung für das Weltgeschehen. „Dabei haben sie nur Verantwortung für ihre Gedanken.“ Ständig werde der innere Notstand ausgerufen. Es herrsche eine hysterische Grundstimmung. Leute, die abweichende Meinungen vertreten, würden als Feind gesehen. Jopp verweist auf Schiller, dessen Worte
auf einem Banner an der Schule hängen: „Schone fremde Freiheit, zeige selbst Freiheit.“ Und überreicht eine Tasse. „Für den optimistischen Morgenkaffee.“

Quelle: Jürgen Kleindienst (LVZ)

Jakob Augstein (r.) im Gespräch
mit Jens-Uwe Jopp.
Foto: Jürgen Kleindienst (LVZ)